Sonntag, 1. September 2013

FAZ gibt "gefühlter Gleichberechtigung" ein Forum, Fakten interessieren nicht

Die Kunsthistorikerin Christiane Kruse berichtet in der FAZ von der gefühlten Benachteiligung, der sie als Frau im Bewerbungsverfahren um eine Professorinnenstelle ausgesetzt war. Im Artikel "Madame, Sie haben den Job! Oder wartet noch irgendwo ein Mann?" behauptet sie, während des Bewerbungsprozesses auf einen Lehrstuhl für Kunstgeschichte mehrfach männlichen Bewerbern gegenüber benachteiligt worden zu sein.

Zum akademischen Werdegang

Nachdem sie im Jahr 1994 an der Ludwigs-Maximilians-Universität München mit einer Arbeit mit dem Titel "Die Erfindung des Gemäldes. Das erste Jahrhundert der niederländischen Malerei" (abrufbar hier) promoviert wurde, habe sie beschlossen, Professorin zu werden.

Bemerkenswert ist an dieser Stelle, dass diese Arbeit nicht alleine von Kruse erstellt wurde, als Mitautor wird Hans Belting genannt

Die Ausgangssituation sei nach Einschätzung von Frau Prof. Dr. Christiane Kruse denkbar schlecht gewesen: 80 Prozent der Studienanfänger in Kunstgeschichte seien Frauen, 80 Prozent der diese unterrichtenden Professoren Männer.

Im Folgenden arbeitete Frau Prof. Dr. Christiane Kruse als freischaffende Künstlerin, nach der Habitilation war Frau Kruse als Lehrstuhlvertretung an mehreren Universitäten tätig. So weit, so üblich.

Die angebliche Diskriminierung

Frau Kruse zählt mehrere Situationen auf, in denen sie nicht auf einen Lehrstuhl berufen wurde. Das ist nun sehr schade für Frau Kruse. Ihre Schlussfolgerung, es gebe "mangelnde Gleichstellung an den Hochschulen" ist leider nur ein subjektives Empfinden. Es ist bemerkenswert, dass Frau Kruse aus ihrem Einzelfall, ohne offensichtlich sich selbst zu hinterfragen, ob sie denn neben der geforderten wissenschaftlichen Tätigkeit, vergleichbar durch Zahl und Qualität der Veröffentlichungen, auch ausreichende Fähigkeit in der Lehre- und nicht unwichtig- dem Einwerben von Drittmitteln hat, eine allgemein Frauen benachteiligende Situation an Hochschulen unterstellt.

Sie schreibt, ihr Mann habe ihr bestätigt, "professorabel" zu sein. Das ist schön für sie, zeigt aber wiederum, dass Frau Kruse die Grundzüge wissenschaftlichen arbeitens, dass auch einen Beleg für aufgestellte Thesen fordert, nicht beherrscht. Wenn ihre Publikationen von ähnlicher Qualität wie ihr Artikel in der FAZ sind, wundert es nicht , dass sie nicht auf einen Lehrstuhl berufen wurde.

Auch setzt sich Frau Kruse in ihrem Artikel nicht damit auseinander, dass die später auf die Lehrstühle berufenen möglicherweise besser für die zu besetzenden Positionen qualifiziert waren. Wenn sie bei einem Artikel, der die Benachteiligung von Frauen im Berufungsprozess exemplarisch zeigen soll, aber schon nicht in der Lage ist, darzulegen, dass sie trotz besserer Qualifikation nicht berufen wurde, dann zeigt dies, dass sie nicht verstanden hat, dass Gleichberechtigung nicht bedeuten darf, dass, nur weil bisher weniger Frauen als Männer in entsprechenden Positionen tätig sind, jetzt weniger qualifizierte Frauen auf diese Positionen berufen werden müssen.

Rahmenbedingungen

Mit Urteil vom 11.11.1997 (Az. C-409/95) hat der Europäische Gerichtshof bereits vor beinahe zwei Jahrzehnten entschieden, dass Frauen, wenn sie in bestimmten Bereichen - wie hier bei der Besetzung von akademischen Lehrstühlen - unterrepräsentiert sind, nicht automatisch bevorzugt werden dürfen.

Sie müssen mindestens gleiche Qualifikation wie die bewerbenden Männer haben, zudem muss eine Einzelfallprüfung möglich sein, eine automatische Berufung von Frauen ist nicht zulässig. Mit anderen Worten: Die "Gleichstellung" findet ihre Grenze in der "Gleichberechtigung".

Mittlerweile gibt es in der Bundesrepublik Gesetze, das sog. Professorinnenprogramm, mit dem Ziel, die Universtäten durch finanzielle Zuwendungen dazu anzuhalten, mehr Frauen auf Professorenstellen zu berufen.

Dies führt in der Praxis bereits dazu, dass Professorenstellen teilweise nur noch für Frauen ausgeschrieben werden.

Fakten

Zu einer halbwegs fundierten Einschätzung der Berufungssituation von Frauen auf Professorenstellen sollte man nicht auf subjektive Befindlichkeiten abstellen, die einem vom eigenen, nicht unvoreingenommenen Ehemann bestätigt werden. Stattdessen sollte die Statistik herangezogen werden.

Die "Gemeinsame Wissenschaftskonverenz" veröffentlicht hierzu jährlich Studien. In der Studie "Chancengleichheit in Wissenschaft und Forschung" aus 2010/2011, dort Seite 7, wird jedenfalls festgestellt, dass in jedem Jahr seit 1997 mehr Frauen tatsächlich auf Lehrstühle berufen und ernannt werden, als ihrem Anteil an den Bewerbungen für diese Lehrstühle entspricht.

In der Studie ist auf Seite 7 sogar ein Bildchen hierzu abgedruckt.

Der Anteil der Bewerbungen von Frauen im Jahr 2011 auf Professorenstellen betrug demnach 23,7 %. Der Anteil von Frauen bei den Berufungen beträgt 26,8 %, bei den Ernennungen dann 26,7%.

Umgekehrt muss der Anteil von Männern bei Bewerbungen/Berufungen und Ernennungen bei 76,3 %, 73,2 % bzw. 73,3 % betragen. Anteilsmäßig werden also weniger Männer berufen, als ihrem Anteil an den Bewerbungen entspricht.

Dies bedeutet, dass eine Frau, wenn sie sich denn bewirbt, mit höherer Wahrscheinlichkeit auch berufen wird, als ein Mann.

Unterstellt man, dass die akademischen Publikationene von Frau Prof. Dr. Kruse eine ähnliche Qualität haben wie der von ihr in der FAZ veröffentlichte Artikel, wundert es nicht, dass sie nicht bereits früher auf einen Lehrstuhl berufen wurde. Es ist traurig, dass die FAZ derart subjektiven Gefühlsäußerungen ein Forum gibt, ohne auch nur ansatzweise die objektiv belegbaren Fakten darzustellen.

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